Archiv für den Monat Januar 2014

Mein Teppich ist geflogen

 
Ich bleibe auf dem Teppich meiner Möglichkeiten und hoffe, dass er fliegen kann!!
Ralf Hoburg

Liebe Leute,
Mit dem Zitat, mit dem ich diese Reise angefangen habe, beschliesse ich sie auch. Ja, mein Teppich ist geflogen. Oft genug habe ich gestaunt, welche Möglichkeiten sich ergeben, wenn man loslässt. Und nun bin ich wieder in Frankfurt gelandet, schon am 7. Januar. Acht Stunden sind allerdings nicht genug, damit meine Seele auch ankommen kann. Deshalb schreibe ich auch erst heute. Dennoch fluscht die Zeit nur so dahin, aber anders als wenn ich in Indien ankomme. Dort bin ich sofort mitten drin, bin ab sofort gefordert. Wenn ich denke, dass gleich am ersten Tag eine unerwartete Begegnung stattfand, welche sehr gute Auswirkungen auf den ganzen Aufenthalt hatte!

Hier lähmt der Jetlag, oder vielleicht sind es die Fragen, die mich lähmen. Ich bin wieder in einem Land, wo es jeder Hund besser hat als Millionen von Kindern auf dieser Welt. Bitte sehr, Hunde sind meine Lieblingstiere.

Als ich in Frankfurt auf die Koffer wartete, hörte ich zwei Schweizern zu, die sich beklagten, dass es eigentlich unzumutbar ist, dass man in einem Flughafen wie diesem eine halbe Stunde aufs Gepäck warten muss. Mit meinen 30 kg musste ich dann aber die Treppe hinunter zur U-Bahn, weil die Rolltreppe defekt war und ich keinen Aufzug fand. Kein Kuli und kein MSFS-Father waren da, um zu helfen. Die Treppe war menschenleer. Vielleicht komme ich mir vor wie ein Astronaut, der sich wieder mit dem Schwergewicht auseinandersetzen muss.

Die letzten Tage in Indien waren noch sehr intensiv gewesen. Sie haben es mir nicht leicht gemacht mit dem Abschied. Bei Lisy wurde geweint, bei Beena gab es Tränen. Männer, zu denen die MSFS nun mal auch gehören, sind ein wenig anders.Am letzten Abend hatte ich den Tisch dekoriert mit Kerzen in Mandarinen gesteckt, worüber sie sich sehr freuten. Dann standen sie in der Eingangshalle herum, bis es Zeit war. Wir bildeten einen Kreis und beteten um eine gute Reise. Aber eigentlich waren sie erst zufrieden, als ich ihnen genau sagte, wann ich denn wiederkommen würde. Im Rudel wurde ich zur Busstation des Flughafenbusses gebracht. Das hatte ich so gewünscht, denn die Herren sind morgens um 5 wieder auf den Beinen. Mein Flug sollte um 3 40h in der Frühe starten. Wegen Nebels war es dann schon nach 6 Uhr, als der Vogel endlich abhob.

Auf Wiedersehen Vinayalaya

Auf Wiedersehen Vinayalaya

Am letzten Tag habe ich auch noch erfahren, dass die MSFS ein Ökowasserprojekt in Vinayalaya planen. Sie wollen das Regenwasser auf dem Hausdach sammeln, um in der Trockenzeit genügend (billiges) Wasser zu haben. Das Pensionsgeld der Schweizergruppe hat dazu einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet. So greift ein Projekt in das andere über.

Ich staune auch immer, wie die jungen MSFS ausgebildet werden, nicht nur intellektuell. Mensch werden ist die grösste Auf-Gabe des Menschen. Die Be-GABungen der jungen Mitbrüder werden sehr ernst genommen. Eine gute Investition in die Zukunft, auch in die Zukunft unserer Kirche, denn die MSFS haben schon 84 Patres in Deutschland und auch einige in der Schweiz. In Bangalore hat einer vor 3 Jahren eine Musikakademie gegründet. Er hat schon als Seminarist CDs herausgegeben. Von der Londoner Academy for Music hat er den höchsten Titel für Saxophonspielen. Selbstverständlich wird an der Schule auch indische Musik, Gesang und Tanz unterrichtet. Dies ist in der indischen Kultur enorm wichtig. Mittlerweile sind schon 600 Schüler an der Academy, die direkt gegenüber von Elektronic City liegt. Ein guter Platz, um gut bezahlende Studenten zu bekommen, die dann auch wieder arme Kinder mitfinanzieren. Vielleicht schaut mal jemand rein: http://www.desalesmusicacademy.com Nichts ist so völkerverbindend wie Musik. Bevor Pater Santosh die Musikschule eröffnete, hat er den Doktor in Philosophie gemacht. Noch heute doziert er an verschiedenen Hochschulen, in Indien als auch in den USA. Und er spricht fliessend deutsch, denn er hat in Österreich studiert. Das nennt sich global.

Ich gehöre zur Gattung der Wiederkäuer. Oder wie eine Reiseteilnehmerin zurückmeldete: Es ist als, ob ich mit diesem Land schwanger wäre. Am meisten denke ich an die Jungs, für die pro Mahl 5 Rupien ausgegeben werden können. Trotzdem geht es ihnen besser als Millionen anderer Kinder auf dieser Welt: Sie haben regelmässig zu essen und sie können zur Schule gehen.

Meine Jungs beim Frühstück. Ein Berg Reis und 2 Löffel Sauce, 3x am Tag.

Meine Jungs beim Frühstück. Ein Berg Reis und 2 Löffel Sauce, 3x am Tag.

Ich habe mittlerweile angefangen die Kleinen Roten zu sammeln. Ich bin gespannt, wie viele zusammen kommen und was wohl die Banker sagen werden, wenn ich mit den Kupfermünzen aufkreuze? Auf die Spardose habe ich 2 Hundeleckerli (aus Pansen, Kutteln) angeklebt. Sie haben genau soviel gekostet wie eine Mahlzeit für die Kinder. Ausserdem enthalten sie Vitamine und Biotin. Wird die Dose voll, bekommt mein Lieblingshund die Leckerli. Eine Kollegin (mit Hund) hat mittlerweile auch schon angefangen, die kleinen Roten zu sammeln…

Sicher werde ich im nächsten Herbst diese Jungs zu meinen Prioritäten setzen. Ich werde mich um getrocknetes Sojafleisch bemühen. Hier werden in Massentierhaltung die Schweine mit Soja gefüttert, von denen auch nur etwa 40% auf den Tisch kommen. Der Rest ist Abfall oder wird in die sogenannte 3. Welt zurückexportiert mit schlimmen Folgen für die Bauern dort.

Ich hatte viele Werbegeschenke mitgenommen, weil die Angestellten dieser Firma sie nicht verteilen wollten, hauptsächlich Kugelschreiber und Süssigkeiten.Vielen Fahrkartenverkäufern oder Rikshawfahrern habe ich damit eine Freude gemacht. Oft hat mich ein Busfahrer angestrahlt, wenn ich ihm einen Bonbon hinstreckte. Mein bevorzugter Platz ist ja ganz vorne beim Busfahrer. EIN Bonbon (nicht zwei oder eine ganze Tüte voll), gilt als besonderes Zeichen der Wertschätzung. Auch die Kinder freuen sich über Stifte und Süssigkeiten und eine Menge anderer Kleinigkeiten.

Was mir hier am meisten zu schaffen macht, sind die vielen Vorurteile: Indien, dieses schreckliche Land, in dem alle Frauen vergewaltigt werden…. Ja, das ist ganz schrecklich und jede Frau, der dies passiert ist ein Opfer zuviel. Aber wie sieht das in unsern Ländern aus, wo die Jungs doch eigentlich seit Jahrzehnten anders erzogen sind…?? Tja, dann bitte engagiert Euch, solidarisiert euch mit Frauen wie Beena Sebastian, die sich seit Jahrzehnten für Frauenrechte einsetzen und auch einiges erreichen, was dann nicht mehr in den Medien kommt. Nichts ist so schwierig wie Friedensarbeit von Frauen in die Medien zu bringen.

Trotz aller Meinungsmache steht die neue Gruppe schon wieder und wird entsprechend vorbereitet. Es wird wieder eine deutsch / schweizerische Gruppe sein. Das freut mich sehr. Diese Gruppen hinterlassen Spuren, ziehen Kreise… Die letzte kam sogar im Lokalfernsehen, als wir mit Beena Sebastian eine Frauenselbsthilfegruppe besuchten. (Sonst wäre die Frauengruppe bestimmt nicht interessant genug gewesen.) Es ist auch unglaublich, wie viel bei den Reiseteilnehmenden geschieht. Mit wieviel Kreativität sich viele für die besuchten Projekte einsetzen. Mit welcher Freude und Begeisterung Besuch aus Indien empfangen wird. Aber manchmal ändert sich auch das Leben der Reisenden: Trauerarbeit wird plötzlich beendet, Lebensprobleme bekommen ein anderes Gesicht. Ich komme aus dem Staunen nicht heraus.

Ich bin sehr glücklich und dankbar für das Geschenk dieses völkerverbindenden Reiseprojektes. Ich kann das aber auch nur dank euch allen, die mich unterstützen, mit guten Gedanken und Gebeten als auch finanziell. Danke für die Beratung in den verschiedensten Dingen. Ganz wichtig sind die vielen mutmachenden und aufmunternden mails. Vielen Dank jenen, die mich mit Nachrichten aus der Heimat auf dem Laufenden hielten. Ich bin ja nicht aus der Welt, sondern nur auf einem andern Kontinent. Allen voran danke ich Margrit Germann, die in ihrer Unermüdlichkeit für die Reisenden als auch für das Roshiniprojekt im Einsatz ist.

Ich danke Rainer Stiehl, der sich um die Gestaltung des Blog kümmert. Bilder verkleinert und einsetzt und immer da ist, wenn ich ihn brauche. Ich bin und bleibe eine Electronicbanause!! Und ich danke allen, die in meiner Abwesenheit meine Arbeit übernommen haben.

Ja, und ebenfalls ein ganz grosses Danke schön den PAG (*P*rojekt *A*lternativen zur *G*ewalt)-Trainern, mit denen ich hier in Deutschland zusammenarbeite. Was würde ich ohne PAG-Kenntnisse machen? Die letzten drei Monate waren besonders schwierig im Vermitteln und Beraten. Ich freue mich jetzt schon, bald wieder in einem Team in einem deutschen Gefängnis aktiv zu sein. Mehr unter www.pag.de

In der Hausgemeinschaft angekommen

In der Hausgemeinschaft angekommen

Ich bin wieder in der Wethener Gemeinschaft angekommen. Es ist wie beim Sämann, der das bestellte Feld verlässt, und sich andern Dingen zuwendet. Wachstum braucht Zeit und Ruhe. Ernten tun oft andere als jene, die gesät haben.

Es ist mir wichtig, Begegnungsschwester zu sein, so verschieden diese Welten auch sein mögen. Es gibt nur eine Welt, das globale Dorf. Es ist mir wichtig, mit beiden Füssen auf dem Teppich der Realität zu stehen. (Den Satz habe ich von einer Freundin hier geschenkt bekommen.) Oft werde ich gefragt, wie ich denn die vielen Punkte in meinem Leben verbinden könne: Ein alter, lebenserfahrener Mann unserer Gemeinschaft, hat mir vor Jahren eine Rätselfrage gestellt, deren Antwort mir ganz wichtig geworden ist. Wie kann ich 9 Punkte mit 4 Strichen zu einem Ganzen verbinden?

Man muss über den Horizont hinaus gehen, vgl. die Lösung unten in diesem Beitrag.
Ganz wichtig ist für mich auch Brot backen. Es ist für mich Gebet, in das ich alles hineinlegen kann: Meine Freude, meine Zärtlichkeit (beim Kneten), meinen Frust, meine Wut (dann schlage ich den Teig). Im Feuer der Liebe Gottes geht das Gute auf, das andere wird geläutert und verbindet sich zu einem Brot, das allen schmeckt, das Brot des Alltags, immer wieder frisch und ganz anders.

Im letzten Gottesdienst, den ich in Indien erlebte, erzählte ein Pater die folgende Geschichte: Ein Hindumädchen entdeckte beim Spielen einen Schmetterling, der sich in den Dornen eines Strauches verfangen hatte. Das Kind löste den Falter aus seiner Todesfalle und liess ihn fliegen. Da verwandelte er sich in eine Göttin. Sie gab dem Mädchen einen Wunsch frei. Dieses sagte: Ich möchte immer glücklich sein. Die Göttin flüsterte dem Kind etwas ins Ohr, dann sagte sie: Aber es ist Dein Geheimnis. Das Mädchen wuchs heran und war immer glücklich. Später wurde sie eine glückliche Frau. Die Leute fragten immer wieder: Was ist dein Geheimnis? Aber sie schwieg. Das ist mein Geheimnis. Als sie eine alte Frau geworden war, sagten die Leute zu ihr: Du wirst bald sterben. Gib uns doch dein Geheimnis preis. Da antwortete sie: Die Göttin hat mir gesagt: Teile mit andern.

Liebe Leute, dies ist vorerst mein letzter Brief von meinen Tagen aus Indien. Die Informationen werden weitergehen. Ich freue mich auch, wenn andere Leute unserer Reisen sich ebenfalls melden und ihre guten Ideen und Erfahrungen mitteilen. Dieser Blog soll geschrieben werden, damit viele den Glauben an die kleinen Schritte wiederfinden.

Den Mail-Verteiler werde ich allerdings schliessen und nur noch über den Blog berichten. Wer weiterhin diese Berichte erhalten möchte, möchte sich bitte einloggen. Wenn es nicht gelingt, meldet Euch bitte bei mir.

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Mit den allerherzlichsten Grüssen,
Eure Schwester Myriam

Die Sonne geht ueber den Urwaldbergen unter

Die Sonne geht ueber den Urwaldbergen unter

Über den Horizont hinaus gehen (siehe Rätsel weiter oben)

Aus den Vatikan news, 18.01.2014
Indien. Im Subkontinent ist die „Bewegung christlicher Frauen“ gegründet worden.
„Um der patriarchalen Gesellschaft die Stirn zu bieten und für gleiche Rechte zu kämpfen“, haben hunderte christliche Frauen auf einer nationalen Konferenz in Bangalore die Bewegung gegründet. Wie der Fidesdienst berichtet, berufen sich die Frauen auf das zweite Vatikanische Konzil und das Dokument von Papst Johannes Paul II „Mulieris dignitatem“. Man wolle aus der eigenen „Komfortzone ausbrechen und Taten der Gerechtigkeit schaffen, um die Würde der Frauen zu verteidigen und ein Netzwerk mit anderen Gemeinschaften aufzubauen“, bekundeten die Gründerinnen. (fides)