Archiv für den Monat Juni 2015

Bericht der Freiwilligen Veronika und Marielle

Hallo und Namaskara, liebe Blogleser,

Wir, Veronika und Marielle, schreiben gerade diesen Blogeintrag von Südindien aus. Um genau zu sein aus dem Staat Karnataka; in der Nähe der Millionenstadt Bangalore.

Denn seit August 2014, frisch nach unserem Abitur, sind wir unter der Leitung der Franziskanerinnen Salzkotten im Sinne eines einjährigen, christlichen Freiwilligendienstes, auch MaZ (Missionar auf Zeit) genannt, in diesem Land – oder nennen wir es besser Subkontinent, um die Größe nicht zu unterschlagen… .

Unser Projekt, das NEST („Nurturing and Education for Social Transformation”), ist ein Kinderdorf mit aktuell 59 Kindern zwischen zwei bis siebzehn Jahren.

IMG_0946klGeleitet wird es von vier Franz-von-Sales Patres, einer Schwester, welche der Holy-Spirit-Community angehört, drei ausgebildeten Lehrerinnen und uns zwei Freiwilligen.

Seit drei Jahren ist auch eine Schule auf dem Campus integriert, welche ebenfalls von unseren Patres geleitet wird, und von der Vorschule bis zur sechsten Klasse reicht. Diese Schule wird von ca. 150 Schüler*innen besucht.

Veronika und ich unterstützen die NESTleitung hauptsächlich in der Arbeit mit den Kindern, als auch als Lehrkräfte in der Schule.

Nach dieser Einleitung mag sich so mancher fragen, WARUM wir überhaupt diesen Blogeintrag schreiben… ?

P1030168klUnser Blogeintrag richtet sich an Jedermann, doch vor allen Dingen an diejenigen, die sich eventuell vorstellen können, einen Freiwilligendienst, vielleicht ja sogar in Indien, zu absolvieren.

Unser Jahr neigt sich langsam dem Ende entgegen und wir merken, wie sehr uns dieses Land mit seiner Kultur und besonders das Projekt ans Herz gewachsen ist.

Wenn ihr jetzt also weiterlest, dann hoffen wir, indem wir euch UNSERE Sicht von diesem Land Indien darlegen, euch eure potenziellen Vorurteile, Ängste, Fragen oder auch Bauchgrummeln nehmen und diese eventuell sogar in Mut umwandeln zu können.

P1020661klWenn wir jetzt, nach zehn Monaten hier zurück auf den Anfang des Jahres blicken, dann stellen wir fest, dass wir die indische Kultur nicht nur oberflächlich kennengelernt haben, sondern tiefgründig vielschichtig.

Zwölf Monate ist genau die richtige Zeit, um sich von Oberflächlichkeiten loszumachen (bspw. von dem Bild des „indisch Verkehrs“: Chaotisch-ungeordnet-gefährlich) und tiefer einzutauchen in Essensgewohnheiten, die Sprache zu lernen, mit Gesten zu kommunizieren, Zwischenmenschliches zu verstehen, Religionen zu begegnen und Traditionen und Werte zu erkennen.

Natürlich kommen auch Gefühle von Heimweh und Sehnsucht nach vertrauter Gewohnheit auf, doch letztendlich wird man am Ende eines jeden Tages, wenn man müde, glücklich und geschafft ins Bett fällt, mit der Gewissheit belohnt wieder etwas Neues dazugelernt zu haben.

Und wir wissen auch zu gut, wie groß sich der Schritt anfühlt, bewusst aus dem altbekannten Umfeld herauszugehen, und auf fremde Situationen in einem fremden Land zu treffen, mit denen man jeden Tag konfrontiert ist und die einen ungewohnt herausfordern.

P1030141klDoch liegt nicht gerade darin der Reiz?

Denn während man lernt mit unbekannten Situationen umzugehen, entdeckt man neue Seiten an sich. Gerade weil die deutsche und die indische Kultur so grundauf verschieden sind.

Doch so wie wir festgestellt haben, beruhte das Interesse für die jeweils andere Kultur immer auf Gegenseitigkeit.

Während wir mit Freundlichkeit und höflicher Distanz den Inder*innen begegnen, treten sie uns mit offenherziger Aufnahme entgegen, auch die anfänglichen Kommunikationsschwierigkeiten haben sich nach kurzer Zeit gelegt.

Und natürlich wussten wir am Anfang auch nicht, wie man sich als junge Frau gegenüber Männern in Indien verhält, nicht gerade zuletzt wegen der „einseitigen Berichterstattung“ der deutschen Medien zum Thema Indien. So wie wir es wahrgenommen haben, gehen Männer und Frauen in der Öffentlichkeit meist getrennte Wege, was es uns zunächst schwieriger gemacht hat unsere Position zu finden in der wir uns sicher fühlen. Jedoch wie bei so vielem haben wir gelernt, auf unser Bauchgefühl zu hören, die Augen offen zu halten und vor allem nicht hinter jeder Ecke eine Gefahr zu sehen.

P1030277klEs ist aber auch wichtig festzuhalten, dass man Indien nicht über einen Kamm scheren kann, denn ein Subkontinent mit 29 verschiedenen Staaten, dementsprechend vielen Sprachen; ein Land mit Wüste, Meeren, Regenwäldern, Himalayagebirge und der Bewegung von Tradition zu Moderne, ist Kontrast durch und durch.

INDIEN IST KUNTERBUNT UND VIELFÄLTIG!!!

– Eine Herausforderung, die manchmal zu einer Überforderung wird.

– Eine persönliche Probe sich von der Anspannung zu befreien, um eigene Ruhe zu finden.

In jedem Fall berührt und bewegt Indien, egal wie sehr man sich darauf einlässt.

Und so wie Hermann Hesse einmal meinte: „Wer einmal nicht nur mit den Augen, sondern mit der Seele in Indien gewesen ist, dem bleibt es ein Heimwehland.“

P1030110klDas können Veronika und ich nur befürworten, denn obwohl wir noch zwei Monate hier sein werden; bevor wir wieder nach Deutschland kommen werden, wissen wir jetzt schon genau, dass wir so schnell wie möglich wieder zurück ins NEST und nach Indien, ins Mutterland, wollen.