Archiv für den Monat Mai 2021

Corona in Indien: Was können wir tun?

Liebe Leute,

während wir in Deutschland Hoffnung auf ein Ende der Pandemie schöpfen, ist in Indien die Hölle los, vor allem in Nordindien und besonders in den Megastädten wie Delhi und Bombay, wo Millionen sich täglich drängen. Auch Bangalore ist grausam in den Klauen von Corona. Weitere Details haben die meisten sicher in den Medien gesehen. Ich muss sie nicht wiederholen noch die Videos weitergeben, die David mir gesandt hat.

Im kommunistisch regierten Kerala ist die Lage weitaus besser, auch wenn ich keine weiteren Nachrichten von Beena habe. Oder besser gesagt: Keine Nachricht heisst bei ihr: rund um die Uhr im Einsatz. Lebensmittel werden verteilt und vor allem sehr viel Gewaltprävention für Frauen und Kinder geleistet.

Die ergreifendsten Berichte kommen von David. Er betreut zur Zeit einen jungen Mitbruder in einem grossen Krankenhaus in Bangalore und wird dabei Zeuge von Verzweiflung und Elend, wie man es sich kaum vorstellen kann.

Wer in Indien in ein Krankenhaus muss, muss auch einen Betreuer mitbringen, der den Kranken mit Essen versorgt und allem, was nicht direkt Medizin ist. Ich habe den Kollegen von David vor einigen Jahren in einem Projekt in Andrah kennen gelernt, ein junger Mann, voll motiviert für ein Leben als Priester. Jetzt liegt er darnieder mit Leukämie. Ich habe ihn nicht wiedererkannt, als ich sein Bild sah. David ist bei ihm Tag und Nacht und bekommt damit die ganze Corona Misere mit. Menschen liegen auf den Strassen und ersticken dort, aber viele andere Kranke bekommen keine Behandlung mehr, weil es einfach nicht mehr möglich ist, allen gerecht zu werden. Mit Davids Freund sind offenbar auch noch zwei andere junge Leukämiekranke auf der Station, die um ihr Leben kämpfen, der eine 15, der andere 25. Beide sollten eine Bluttransfusion haben, aber jetzt spendet niemand mehr Blut. Es fehlt einfach an allem. David weinte oft bittere Tränen aus Hilflosigkeit und Verzweiflung, zur Untätigkeit verdammt zu sein. Er schreibt: „Ich bin ein armer Mann, habe kein Geld und leere Hände.“ Aber eines konnte er tun: als auch noch Blut fehlte, ging David einfach zum Arzt und bat für die beiden jungen Männer Blut spenden zu dürfen, was auch gerne angenommen wurde. David war nachher unendlich glücklich, dass er wenigstens ein wenig hatte Not lindern können.

Uncle Michael schreibt, dass sich in Andrah, in Dhone (wo ist das?) die Seuche in Grenzen hält. Aber wenn Menschen aus der Stadt in ihre Heimatdörfer zurückkehren, dann wird auch COVID mit verschleppt. In dem Sinne haben es die Bewohner des Leprosendorfes am besten. Sie leben weitgehend isoliert, haben aber auch keine Möglichkeit, sich Essen zu besorgen. Das tut Uncle Michael mit seinen Helfern.

Ich habe mehrere Anfragen bekommen, was man denn tun könnte, irgendwas… man kann doch nicht einfach zusehen…. Andere sagen, dass sie eigentlich gerne spenden würden, aber kommt es denn auch an?

Sicher ist es gut, vorsichtig zu sein. Für mich sind immer noch die kirchlichen Hilfsorganisationen wie Missio oder solche, die von Orden getragen werden, die zuverlässigsten. Sehr viel staatliches Geld versickert in den Taschen korrupter Beamter. In der Schweiz ist auch das Roshini Projekt von Margrit Germann sehr zu empfehlen. Die Schwestern, die sich dort engagieren, gehören zu einem Orden, der in Nordindien auch von Missio Aachen unterstützt wird.

Eben habe ich aber auch den hier angefügten Aufruf von Ekta Parishad erhalten. Das ist weder eine staatliche noch eine religiöse Institution, sondern eine Bewegung, die geführt durch den grossen Friedensapostel der Armen Indiens, Rajagopal, direkt aus den Armen hervorgegangen und absolut glaubwürdig ist. Auch die drei Frauen, Shradha, Shoba und Kasturi kenne ich persönlich. Sie arbeiten voll im Ehrenamt für Ekta Parishad und bekommen nur, was sie zum Lebensunterhalt brauchen. Gespendet werden kann auf Konten verschiedener Unterstützergruppen in in mehreren Ländern. Die Daten stehen am Ende des Aufrufs:

Bei allem Elend, ich staune über die grosse weltweite Solidarität. Mehr als 40 Länder haben Hilfe zugesagt. Sogar Pakistan, der Erzfeind Indiens, hat sofort geholfen. Für mich ein Zeichen, dass nicht das pakistanische Volk diese militärischen Auseinandersetzungen will, sondern, dass dieser Konflikt wie so viele andere, von andererseits gemacht ist.

Zum Schluss noch zwei Zeitungsauszüge:

Corona Katastrophe in Indien, Gründe und Folgen

Die Lage diskreditiert den indischen Premier Narendra Modi, stellt Les Echos (France) fest:

„Indien ist der weltweit größte Hersteller von Impfstoffen. Allein das Serum Institute of India kann 1,5 Milliarden Dosen pro Jahr produzieren, aber nur ein Prozent der eigenen Bevölkerung ist geimpft. Die ‚Weltapotheke‘ hat es versäumt, ihren Trumpf auszuspielen. Selbst Narendra Modis Anhänger verstehen nicht, warum er nach der ersten Welle so umfassende Lockerungen zugelassen hat. Er hat Pilgerfahrten und Parteitreffen nicht nur nicht verhindert oder gar eingedämmt, er hat sie sogar initiiert und Ansammlungen von Millionen Menschen veranlasst. In seinem Land wird er kritisiert, aber er erregt auch internationales Misstrauen. Denn wenn Indien leidet, leidet auch der Rest der Welt.“

Der Hindu-Nationalismus des indischen Premiers ist menschenverachtend, meint The Times:

„Dass die Verbreitung von Covid-19 Modi ziemlich kaltlässt, liegt daran, dass er den Angehörigen höherer Kasten mehr Wert beimisst. Diese werden die Krise relativ unbeschadet überstehen, während die Armen und Angehörigen niedriger Kasten mit wenig oder keiner medizinischen Hilfe selbst klar kommen müssen. … Die Sichtweise ist, dass diese Menschen weder zur wirtschaftlichen noch zur geistigen Entwicklung des Landes beitragen und daher entbehrlich seien. Es könne sogar sein, dass diese das Land so stark belasten, dass es besser wäre, sie loszuwerden.“

Unsere Welt ist wirklich in einem jämmerlichen Zustand. Achten wir trotzdem auf all die vielen Zeichen der Solidarität. Wir kleinen Leute können einiges entfachen, wenn wir zusammen halten und die Hoffnung nicht aufgeben.

In herzlicher Verbundenheit,

Eure Schwester Myriam